Der Stadtnarr

Die alljährliche Wiedergeburt des Heini von Uri in Gestalt des Heinivaters ist auch das stete Neuerwachen des Surseer Stadtnarren. Beide sind durch das Geflecht der Legendenbildung um den Hofnarren des österreichischen Herzogs Leopold lll. unauflösbar miteinander verknüpft.
Interessanterweise taucht der Stadtnarr wenige Jahre nach der definitiven Ausformung der Legende um Heini von Uri in den Chroniken ebenfalls im Ratsprotokoll auf. Es ist ausgerechnet ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 1626, das uns den Stadtnarren erstmals schriftlich belegt. Damals befahl der Rat Schulmeister Blathasar German, einem eher liederlichen Erdenbürger, er solle Michael Meier, weil der "verschiner wienacht der schuolern Nar(r) gsin", den ihm zustehenden Gulden bezahlen!
Nach der Überlieferung schlüpfte jeweils am Tag der unschuldigen Kinder nach Weih- nachten ein ärmlicher Familienvater in das im Rathaus aufbewahrte Narrenkostüm und zog sich sie Maske sowie die Schellenkappe über. Zur Belustigung der Schuljugend rannte nun der Stadtnarr durch die Gassen der Stadt. Während seines Auftrittes durfte er wohlhabende Familien besuchen und von ihnen ein Trinkgeld heischen. Die Kinder aber hatten ihren Spass daran, ihn zu necken und ihn nach herzenslust mit Rüben zu bewerfen. Zu seinem Schutz war die Narrenkappe gut gepolstert. In gewitzter der Stadtnarr sich gab, umso grösser war das Gaudium. So verliess der Narr ab und zu die Häuser durch die Hintertür und erschien unversehens in einer anderen Gasse, als ihn die Kinder erwartet hatten. Wie viele andere Spiele, auch dieser Brauch artete mit der Zeit aus. Grosse Burschen und Erwachsene trugen mit ihrem groben Getue und den harten Würfen dazu bei. Im Dezember 1761 sah sich der Rat von Sursee veranlasst, das Stadtnarren-Laufen zu verbieten. Es sei schon vorgekommen, dass Bürger, die den Narren gespielt hatten, als Folge des Werfens der Rüben gestorben seien, meinten die Ratsherren. Doch ihr Eingreifen hatte wenig Erfolg und der alte Brauch wurde bis 1810 fortgesetzt.
In jenen Jahren soll der Stadtnarr, um dem Hagel von Rüben und Schneebällen zu entfliehen, in den Kellerhals des Gasthauses zur Sonne gesprungen sein. Dort, so will die Überlieferung, soll ihm der Stall- knecht, ob der wilden Jugend in Zorn geraten, ein leeres Fässchen an den Kopf geworfen und ihn damit erschlagen haben. Mit diesem Ereignis hatte der Brauch des Stadtnarren-Laufens zwar sein Ende gefunden, nicht aber der Stadtnarr selber. Dieser wandelte sich im 19. Jahrhundert zum "Patron" der kleinstädtischen Fasnacht.
Als "Stadtnarr" spielte er bei Umzügen mit, als Nachfolger des "Heini von Uri"; sein Name zierte die Narrenzeitungen, in denen in närrischer Weise die "Untaten" der Kleinbürger angeprangert wurden. Seit der Gründung der Zunft des Heini von Uri im Jahre 1876 verknüpfte er sich in besonderer Weise mit dem legendären Hofnarren. Über alle Höhen und Tiefen ihrer eigenen Geschichte hinweg wird diese Zunft dafür sorgen, dass der Stadtnarr in der Gestalt des Heinivater, der auch dessen Narrenkostüm und die Maske trägt, am Leben bleibt!